1.5.1 Die deutsche Grammatik: historische Übersicht
Die Geschichte der deutschen wissenschaftlichen Grammatik ist mit der Gründung 1868 des deutschen Staates zusammenzubinden. Obwohl die Einigung und Normierung der deutschen Literatursprache in 17.– 18. Jahrhunderten begonnen wurde, entstand die theoretische Grammatik der deutschen Sprache als solche erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Auch ein rascher Aufstieg der Sprachwissenschaft in allen Ländern Europas gab einen Anstoß zur Entwicklung der grammatischen Lehre der deutschen Sprache. Zu der Zeit herrschte in der Sprachwissenschaft historische Forschungsmethode. Auch die Grammatik wurde ausschließlich wie historische Grammatik verstanden.
Einen besonderen Beitrag zur Entwicklung der deutschen Nationalsprache hat Jakob Grimm geleistet. In seinem vierbändigen Werk „Deutsche Grammatik“ hat J. Grimm eine systematische Darstellung der Entwicklungsgeschichte aller germanischen Sprachen mit den ältesten Denkmälern angefangen und Frühgeschichte der deutschen Sprache einschließlich präsentiert. Neuhochdeutsch aber wurde nur kurz skizziert. Im ersten Band wurde eine umfassende Darstellung der historischen Laut- und Formenlehre germanischen Sprachen angeboten. Bände zwei und drei sind historischer Wortbildungslehre gewidmet. Im vierten Band ist Syntax des einfachen Satzes (hauptsächlich sogenannte funktionelle Morphologie, dem Gebrauch von Wortformen und Wortarten dargestellt.
Der Satz war damals kein Gegenstand der Grammatik, sondern der allgemeiner Sprachphilosophie und der Logik. Dies geht auf die Antike zurück. Grammatische Kategorien wurden als Ausdruck der universellen logischen Kategorien verstanden (vergleiche, französische Grammatik von Port-Royal, 1660; deutsche logische Syntax von Karl Ferdinand Becker „Organismus der Sprache als Einleitung zur deutschen Grammatik“, 1827 (zitiert nach О.I. Moskalskaja [14]). Neu bei J. Grimm war folgendes: das induktive empirische Verfahren. J. Grimm schreibt im Vorwort zur „Deutschen Grammatik“ [34].
Einen wesentlichen Einfluss hat auf deutsche theoretische Grammatik der sogenannte linguistische Psychologismus ausgeübt. Der linguistische Psychologismus ist wie eine Gesamtheit der einzelnen Richtungen und Konzeptionen, die die Sprache wie eine individuelle Tätigkeit eines Menschen oder eines Volkes verstehen. Ein der bekanntesten Vertreter des deutschen Psychologismus war W. von Humboldt. Seine Ideen basieren auf der kantianischen Philosophie, wobei die Sprache als ein geschlossenes System einerseits und als Resultat einer bewussten gemeinsamen Tätigkeit eines Volkes andererseits auftritt, sprachliche Entwicklung auf seelische Vorgänge in der Psyche eines Individuums zurückgeführt wird. Von besonderem Interesse ist die physiologische Seite der Sprache. Deswegen ist in der Sprache des Geist des Volkes geprägt. W. von Humboldt glaubte, dass in der Sprache ist der Geist des Volkes.