5. Juristen als Hochschullehrer
(Dr. Volkmar Gessner, Professor am Zentrum für Europäische Rechtspolitik «ZERP» an der Universität Bremen)
Frage: Herr Professor Gessner, wie wird man in Deutschland Hochschullehrer?
Das ist in Deutschland ein recht langer Weg. Man muss zunächst sich promovieren, was etwa drei Jahre in Anspruch nimmt. Man istüblicherweise in der Zeit Hochschulassistent. Und in der Folge muss man eine Habilitationsschrift schreiben, was etwa vier bis fünf Jahre in Anspruch nimmt. Dann ist man Privatdozent und wartet auf einer Ruf. Das kann gleich erfolgen, kann aber zehn Jahre dauern, bis man den Ruf bekommt auf einen Lehrstuhl. Im Augenblick sind Wissenschaftler, die einen Ruf bekommen, etwa 40 Jahre alt.
Frage: Ist der Beruf eines Hochschullehrers in Deutschland für Juristen ein erstrebenswerter Beruf?
Ja, nicht nur für Juristen. Das ist in Deutschland allgemein sehr attaktiv. Die Positionen sind gut bezahlt und sind mit einem hohen Prestige behaftet. Ein Professor in Deutschland ist immer noch fast an der Spitze der Prestigeskala. Insofern ist das ein durchaus attraktiver Beruf, auch finanziell, weil man neben dem ohnehin schon hohen Gehalt noch weitere Einkünfte hat, vor allem in den Naturwissenschaften: als Sachverständiger, als Gutachter. Aber das gilt auch für juristische Hochschullehrer.
Frage: Wie viele weibliche Hochschullehrer gibt es unter den Juristen in Deutschland?
Eine sehr peinliche Frage für jeden männlichen Hochschullehrer. Wir haben es durch irgendwelche Mechanismen geschafft, dass etwa 95 % der Hochschullehrer Männer sind. Ich schätze die Zahl der weiblichen Hochschullehrer auf höchstens 5 %. Das sind Zahlen für die juristischen Fakultäten. In anderen Fakultäten dürfte der Anteil der weiblichen Hochschullehrer erheblich höher sein.
Frage: Welchen Lehrstuhl haben Sie nun selbst inne?
Ja, jeder Lehrstuhl hat eine bestimmte Bezeichnung. Die richtet sich danach, welche Lehrbefugnis man im Habilitationsverfahren erworben hat. In meinem Fall ist das ein Lehrstuhl für Rechtssoziologie und Rechtsvergleichung.
Frage: Sind sie selbst Jurist?
Ja, ich bin Jurist und Soziologe. Ich habe beide Studien vollständig absolviert.
Frage: Hat ein Jurist, der an einer Hochschule lehrt, praktische Erfahrung?
Das ist eiderüblicherweise nicht der Fall. Junge Juristen bleiben nach dem Studium an der Universität als Assistent, sind dann voll beschäftigt mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit als Habilitationsschrift und bekommen dann mehr oder weniger bald einen Lehrstuhl. Eine praktische Erfahrung haben Juristen allenfalls in der Referendarzeit, wo sie für zwei Jahre verschiedene Praxisstationen durchlaufen. Aber sie haben, wenn sie Hochshullehrer werden, nie einen praktischen juristischen Beru ausgeübt. In meinem Fall war das etwas anders. Ich war zwei Jahre Rechtsanwalt und anderthalb Jahre als Richter tätig.