Der Kalif, der in seiner Bibliothek gerne alte Manuskripte hatte, wenn er sie auch nicht lesen konnte, kaufte Schrift und Dose und entlieβ den Krämer. Der Kalif aber dachte, er möchte gerne wissen, was die Schrift enthalte, und fragte den Wesir, ob er keinen kenne, der es entziffern könnte.
«Gnädigster Herr und Gebieter», antwortete dieser, «an der groβen Moschee wohnt ein Mann, er heiβt Selim, der Gelehrte, der versteht alle Sprachen. Laβ ihn kommen, vielleicht kennt er diese geheimnisvollen Züge».
Der Gelehrte Selim war bald herbeigeholt.
«Selim», sprach zu ihm der Kalif, «Selim, man sagt, du seiest sehr gelehrt, guck einmal ein wenig in diese Schrift, ob du sie lesen kannst. Kannst du sie lesen, so bekommst du ein neues Festkleid von mir, kannst du es nicht, so bekommst du zwölf Backenstreiche und fünfundzwanzig auf die Fuβsohlen, weil man dich dann umsonst Selim, den Gelehrten, nennt».
Selim verneigte sich und sprach: «Dein Wille geschehe, oh Herr!».
Lange betrachtete er die Schrift, plötzlich aber rief er aus: «Das ist Lateinisch, oh Herr, oder ich laβ mich hängen».
«Sag, was drin steht», befahl der Kalif, «wenn es Lateinisch ist».
Selim fing an zu übersetzen: «Mensch, der du dieses findest, preise Allah für seine Gnade. Wer von dem Pulver in dieser Dose schnupft und dazu spricht: Мutabor, der kann sich in jedes Tier verwandeln, und versteht auch die Sprache der Tiere. Will er wieder in seine menschliche Gestalt zurückkehren, so neige er sich dreimal gen Osten und spreche jenes Wort. Aber hüte dich! Wenn du verwandelt bist, darfst du nicht lachen, sonst verschwindet das Zauberwort gänzlich aus deinem Gedächtnis, und du bleibst ein Tier».
Als Selim, der Gelehrte, also gelesen hatte, war der Kalif über die Maβen vergnügt. Er lieβ den Gelehrten schwören, niemandem etwas von dem Geheimnis zu sagen, schenkte ihm ein schönes Kleid und entlieβ ihn.
Zu seinem Groβwesir aber sagte er: «Das heiβ’ ich gut einkaufen, Mansor! Wie freue ich mich darauf, ein Tier zu sein. Morgen früh kommst du zu mir, wir gehen dann miteinander aufs Feld, schnupfen etwas Weniges aus meiner Dose und belauschen dann, was in der Luft und im Wasser, im Wald und auf dem Feld gesprochen wird!
Kaum hatte am anderen Morgen der Kalif Chasid gefrühstückt und sich angekleidet, als schon der Groβwesir erschien, ihn, wie befohlen, auf dem Spaziergang zu begleiten. Der Kalif steckte die Dose mit dem Zauberpulver in den Gürtel, und nachdem er seinem Gefolge befohlen, zurückzubleiben, machte er sich mit dem Groβwesir ganz alleine auf den Weg. Sie gingen zuerst durch die weiten Gärten des Kalifen, spähten aber vergebens nach etwas Lebendigem, um ihr Kunststück zu probieren. Der Wesir schlug endlich vor, weiter hinaus an einen Teich zu gehen, wo er schon oft viele Tiere, namentlich Störche, gesehen habe, die durch ihr gravitätisches Wesen und ihr Geklapper immer seine Aufmerksamkeit erregt hatten.